Michael Schindler war auch in der jüdischen Nationalbewegung aktiv und Vorsitzender des Czernowitzer Makkabi-Fußballvereins wurde. Liane und ihre ältere Schwester, die sich während der Zeit des Zweiten Weltkrieges das Leben nahm, sprachen zu Hause Deutsch und lernten zudem Rumänisch, Latein, Französisch, Hebräisch und Englisch. Bis 1940 besuchten sie eine rumänischsprachige Privatschule. In der russischen Besatzungszeit 1940/41 kamen sie auf die Jiddische Schule in der sich für Ilana eine ganz neue Welt der Sprache und Literatur eröffnete. Zur gleichen Zeit wurde jedoch ihr Vater als Zionist und Kapitalist verfolgt und enteignet.
Während der deutsch-rumänischen Besatzungszeit, als ein Großteil der jüdischen Bevölkerung nach Transnistrien deportiert wurde, konnte Ilanas Familie zunächst durch die Beschaffung von Autorisationen in der Stadt bleiben. Sie wohnten für mehrere Monate im Czernowitzer Ghetto, bevor sie in ein spezielles Viertel für Juden an den Rand der Stadt übersieden mussten. Neben dem Tragen des gelben Judensterns sahen sie sich mit zunehmenden Verboten und beschränkten Freiheiten konfrontiert – jede Woche fanden weitere Deportationen statt, so dass sie ein Leben in ständiger Angst führten.
In diesen Jahren der rumänisch-deutschen Besatzungszeit entwickelte sich jedoch eine enge Freundschaft zwischen dem vier Jahre älteren Paul Antschel (Paul Celan) und Ilana Shmueli. Sie trafen sich zusammen mit anderen in verbotenen Kreisen, sprachen über Literatur und Musik, diskutierten über Kunst und Politik. An diesen Kreisen beteiligten sich unter anderem auch Rose Ausländer und Moses Rosenkranz sowie einige Lehrer der Jiddischen Schule. Für Ilana Shmueli, die jüngste in dieser Gruppe, waren es ihre „wesentlichsten und unvergesslichsten Lehrjahre“ (Briefwechsel, S. 160), wie sie es später in ihren Memoiren beschreibt. Mit Paul Celan unternahm zudem unvergessliche Spaziergänge durch den damals für Juden verbotenen Volksgarten, wobei sie ihre gelben Judensterne abnahmen und über Celans neueste Gedichte sprachen.
Die Angst vor der Deportation war jedoch allgegenwärtig. 1942 wurden Paul Celans Eltern abgeholt (und später im Lager umgebracht), er selber konnte sich verstecken. Schwere Schicksalsschläge für Ilana waren die etwa zeitgleichen Selbstmorde ihrer Schwester und ihrer engsten Freundin. 1944 flüchtete Ilana mit ihren Eltern zusammen mit einer organisierten Gruppe aus Czernowitz und sie gelangten mit einem bulgarischen Transportschiff über Constanza nach Istanbul und konnten von dort nach Israel einwandern.
In Tel Aviv studierte Ilana Shmueli zunächst am Seminar für Musikerziehung und arbeitete dort als pädagogische Sekretärin, später folgte ein Studium der Kriminologie und Sozialkunde. Sie heiratete 1953 den Musikwissenschaftler Dr. Herzl Shmueli, drei Jahre später wurde die gemeinsame Tochter geboren. Bis zu ihrer Pensionierung 1984 leitete sie Fortbildungskurse für Sozialarbeiterinnen und -arbeiter auf dem Gebiet der Jugendkriminalität, organisierte Kurse für die Umschulung russischer Einwandererinnen und Einwanderer auf diesem Gebiet und arbeitete mit Jugendlichen zusammen.
Prägendes Erlebnis war das Wiedersehen mit Paul Celan 1965 in Paris, das erste Treffen nach über 20 Jahren. Doch erst im Oktober 1969 folgte die zweie Begegnung, als Paul Celan nach Israel kam und sie sich in Jerusalem trafen. Es entwickelte sich eine kurze, aber intensive Liebesbeziehung zwischen beiden, die durch mehrere Begegnungen und einen regen Briefwechsel bis kurz vor dem Tod Celans im April 1970 begleitet wurde. Der Briefwechsel, dem auch einige Gedichte Celans aus dieser Zeit beiliegen, ist 2004 im Suhrkamp Verlag erschienen.
Ilana Shmueli begann erst nach ihrer Pensionierung 1984 selber zu schreiben – Gedichte auf Hebräisch und Deutsch sowie Erinnerungen an ihre Kindheit in Czernowitz und an Paul Celan. Es erschienen autobiografische Prosaarbeiten sowie Gedichtbände, zudem übersetzte sie zwischen Deutsch und Hebräisch. 2009 erhielt sie zusammen mit Josef Burg den Theodor-Kramer-Preis für Schreiben im Widerstand und Exil. In ihrer Lyrik werde die Erfahrung von „Ortlosigkeit und Wortlosigkeit“ gemacht, „unbeheimatet und sprachlos zu sein“, so die Jury des Theodor-Kramer-Preises.
Ilana Shmueli zog nach dem Tod ihres Mannes 2001 nach Jerusalem und veröffentlichte seitdem einige Bücher, darunter „Sag, daß Jerusalem ist“ mit Erinnerungen an Paul Celan (2000), „Ein Kind aus guter Familie. Czernowitz 1924-1944“ (2006) und den Gedichtband „Zwischen dem Jetzt und dem Jetzt“ (2007). Ilana Shmueli starb im Alter von 87 Jahren am 11. November 2011 in Jerusalem.
Text: Kirsten Heyerhoff
Materialien:
- Theodor-Kramer-Preis für Schreiben im Widerstand und Exil 2009 an Ilana Shmueli und Josef Burg
- Videodokumentation der Internationalen Leo-Kestenberg-Gesellschaft
- Ilana Shmueli: Paul Celan. Ilana Shmueli. Briefwechsel. Hg. v. Thomas Sparr. Frankfurt am Main 2004