Seine Kindheit verbrachte der junge Moses Rosenkranz auf dem Land in der Bukowina – mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges erfolgten allerdings die Erfahrungen von ständiger Flucht vor dem immer wieder nahenden Kriegsschauplatz. Zum Ausdruck seiner Erlebnisse wurden seine Gedichte, die ersten schrieb er bereits mit 12 Jahren. Nach verschiedenen Stationen in Polen und Tschechien und wechselnden Schulen kehrte die Familie 1918 in die Bukowina zurück und zog nach Czernowitz, wo sie in der Russischen Gasse Nr. 18 (vul. Rus’ka) in einer Zweizimmerwohnung wohnte.

Mit dem unerwarteten Tod seines Vaters 1919 endete jedoch seine Kindheit jäh. Die Jahre bis zu diesem einschneidenden Erlebnis schreibt er später als Erinnerungen im Buch „Kindheit. Fragmente einer Autobiographie“ (2001) nieder. Im Alter von nur 15 Jahren musste er für sich selber sorgen. Es folgten Jahre der Wanderschaft, immer auf der Suche nach Arbeit als Tagelöhner. Er gelangt über die Stationen Krakau, Triest, Bukarest, Wien, Passau, München, Kehl am Rhein, Straßburg und Paris bis Blois in Frankreich. Die Zeit in Frankreich verbrachte er hauptsächlich mit einer Freundin und dem gemeinsamen Kind. Festgehalten sind diese Wanderjahre im zweiten Teil seiner Autobiographie „Jugend“ (2014).

Nach seiner Rückkehr in die Bukowina diente Moses Rosenkranz 1927 bis 1930 in der rumänischen Armee und siedelte 1930 nach Bukarest über. Dort war er unter anderem als Übersetzer und Sekretär des Großgrundbesitzers und Schriftstellers Ion Pillat tätig. Er gelangte bis in den Pressedient des Außenministeriums und wurde literarischer Referent und Ghostwriter für die rumänische Königin Maria, dessen Autobiografie er verfasste. In den 1930er-Jahren publizierte er auch seine ersten eigenen Lyrikbände: „Leben in Versen“ (1930), „Gemalte Fensterscheiben“ (1936) und „Die Tafeln“ (1940).

Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verschärfte sich jedoch auch in Rumänien die Lage der jüdischen Bevölkerung und Moses Rosenkranz kam zunächst in das Czernowitzer Ghetto und von dort in ein Arbeitslager in Transnistrien, zusammen mit Paul Antschel (Celan). Aus dieser Zeit stammt sein Gedicht „Die Blutfuge“, das Celan später zu seiner „Todesfuge“ inspiriert haben soll. Im März 1944 konnte er desertieren und lebte bis zum Einmarsch der Sowjets in Bukarest im Untergrund.

Nach Kriegende arbeitete Moses Rosenkranz in Bukarest für das Rote Kreuz und ließ dabei auf illegalem Weg Deutschen, die vertrieben werden sollten, Kleidung und Lebensmittel zukommen. Im April 1947 wurde er daraufhin wegen „Deutschenfreundlichkeit“ vom sowjetischen Geheimdienst verhaftet und für zehn Jahre in einen Gulag ins sibirische Norilsk gebracht. Erst 1957 kam er wieder frei, kehrte zurück nach Bukarest, wo er allerdings nur eingeschränkte Freiheiten genoss. Es begann eine produktive literarische Phase, in der unter anderem seine Kindheitserinnerungen entstanden sowie neben Lyrik auch die Prosatexte „Der Hund“, „Leiden der Eltern“ und „Der Rattenstaat“, die aber auf der späteren Flucht verloren gingen. Er durfte nicht publizieren und als der rumänische Geheimdient einen Prozess gegen ihn vorbereitete, flüchtete Moses Rosenkranz 1961 in die Bundesrepublik Deutschland, wo er bis zu seinem Tod in einem kleinen Dorf im Schwarzwald lebte. Nach Deutschland kam er, weil hier die Sprache gesprochen wurde, in der er schrieb. Jedoch fühlte er sich nie ganz zu Hause, blieb stets ein Fremder und auch sein literarisches Schaffen wurde kaum in der Öffentlichkeit bemerkt. Mehrere Versuche, einen Verlag für seine Texte zu finden, scheiterten. Die 1986 und 1988 erschienenen zwei Gedichtbände „Im Untergang“ und „Im Untergang II“ blieben ohne große Resonanz. Erst das Erscheinen seiner autobiografischen Prosa wurde zum Erfolg, als Moses Rosenkranz jedoch schon sehr krank war. Ab Mitte der 1990er-Jahre verschlechterte sich seine Gesundheit, er erblindete und verlor nach und nach seine Stimme und sein Gehör sowie seine körperliche Beweglichkeit. Am 17. Mai 2003 starb Moses Rosenkranz mit fast 99 Jahren in Lenzkirch-Kappel im Schwarzwald.

Sein lyrisches Werk umfasst alle Themen seines Lebens – Natur, Landschaft und Bauernleben, Krieg, Gulag und Zerstörung. Es lebt aber vor allem durch seine eigenwillige und besondere Sprache, geprägt durch die Multikulturalität der Bukowina, sowie durch sein Reichtum an sprachlichen Bildern.

Text: Kirsten Heyerhoff

Materialien:

  • Orte

    Orte

    Wohnhaus der Familie Rosenkranz in Czernowitz nach 1918

    Wohnhaus der Familie Rosenkranz in Czernowitz nach 1918
    Russische Gasse 18 (heute: vul. Rus’ka 18)