In dem Raum Bukowina, der sich in der habsburgischen Vorkriegsära durch eine größtenteils liberale Entfaltung von Sprache, Bildung und Kultur ausgezeichnet hatte, war die Zwischenkriegszeit durch Rumänisierung und nationalistischen Zentralismus (Bukarest) geprägt. Hier agierte Drozdowski als „Seismograph der Möglichkeiten in einem hochgradig labilen System“ (Guggenberger, S. 13), das durch kulturelle Diversität der Umwelt, Fragilität und historische Brüche in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft geprägt war. Somit waren das „Schreiben von (literarischen) Texten genauso wie das Einstudieren von Theaterstücken auch Gesten der kulturellen und nationalen Selbstbehauptung“ (Guggenberger S. 258). Drozdowski war sich bewusst, dass er nicht zur ersten Riege in der deutschsprachigen Literatur zählte – 1976 schreibt er in einem Brief an die fast gleichaltrige Rose Ausländer, dass er sein lyrisches Schaffen „bestimmt nicht großer Dichtung anzunähern wage“ (Guggenberger, S. 19) –, gleichwohl reagierte er verstimmt auf Äußerungen, die die Traditionsverbundenheit seiner Gedichte kritisierten.
Die Machtergreifung Hitlers 1933 wirkte sich auch in der Bukowina auf die deutsche Volksgruppe aus, zu der sich Drozdowski zählte. Die „Czernowitzer Deutsche Tagespost“, für die er zu diesem Zeitpunkt noch tätig gewesen war, folgte von nun an in ihrer Blattlinie dem nationalsozialistischen Regime. Drozdowski verließ das Blatt, um jeglichem Konflikt mit anderen Zeitungen, die vor allem von deutschsprachigen Juden geleitet wurden, aus dem Weg zu gehen. Eine nationalistische Ideologie, die andere Ethnien und Kulturen diffamierte, entsprach keineswegs dem Wesen Drozdowskis, der nicht nur in einem vielschichtigen kulturellen Milieu aufgewachsen war, sondern seine multiplen ethnischen Identitäten kannte, denn „soweit ich den Stammbaum hinaufkraxeln konnte“, schreibt Drozdowski in seinen Erinnerungen, hatte das Slawische in der Familie überwogen, jedoch wurde er „langsam aber sicher – erst durch den Umgang zuhause, dann durch die Schule, später durch die Lektüre […] dem eigentlichen Volkstum entzogen und ein ,Schwab‘“ (Guggenberger, S. 26).
Doch nach 1940 bzw. in den Kriegsjahren ging er Kompromisse ein, und wohl weniger aus Überzeugung, sondern vor allem aus pragmatischen Gründen (gewünschte Umsiedlung aus der Bukowina, finanzielle Anreize) entstanden Texte, die eine Loyalität zum Regime ausdrückten, auch wenn sie unpolitisch waren und „bewusst die Illusion der Normalität“ (Guggenberger, S. 261) vermittelten. Drozdowski wusste um die skeptische Haltung nationalsozialistischer Behörden gegenüber seiner Person, was ihm zur Ehre gereicht. Der sogenannte „Volkstumssachverständige“, der den Einbürgerungsantrag zu prüfen hatte, stellte laut Aktenvermerk vom Januar 1941 fest, dass Drozdowski „ein ausgesprochener Gegner des nationalsozialistischen Gedankengutes“ sei und als „indifferenter Deutscher behandelt“ (Guggenberger, S. 347) werden müsste.
Außerhalb seiner Heimat Bukowina war Drozdowski bis 1940 kaum bekannt, erst durch seine Umsiedlung erreicht er in der Nachkriegszeit durch Veröffentlichungen im deutschsprachigen Raum und als Kulturredakteur der Klagenfurter „Volkszeitung“(1990 eingestellt) eine etwas breitere Leserschaft. Durch persönliche Kontakte zu Heimito von Doderer, Ernst Schönwiese oder Friedrich Torberg findet er Anschluss an den österreichischen Kulturbetrieb. Ab den 1960er Jahren taucht sein Name in einschlägigen Literaturlexika auf und er erhält den Nikolaus-Lenau-Preis, ehe er doch wieder in Vergessenheit gerät. Nach seinem Tod 1987 und durch die Entdeckung des mittelosteuropäischen Raums und seiner Literaturen erfährt auch Drozdowski hin und wieder in Einzelstudien Berücksichtigung. Dass er in den letzten Jahren eine kleine Renaissance erlebt, belegen ein 2009 erschienener Band mit ausgewählten Gedichten und 2013 die Wiederauflage seines wohl bekanntesten Werkes – „Damals in Czernowitz und rundum: Erinnerungen eines Altösterreichers“ (Aachen 1984).
Text: Markus Winkler
Materialien:
- Günther F. Guggenberger: Georg Drozdowski in literarischen Feldern zwischen Czernowitz und Berlin (1920 – 1945). Berlin 2015.
- Helga Abret: Georg Drozdowski – ein fast vergessener Lyriker aus Czernowitz. In: Der literarische Zaunkönig Nr. 2/2007, S. 30-40.