Anschließend besuchte sie die Handelsschule für Mädchen. Auch dort glänzte sie mit einem hervorragenden Abgangszeugnis. Darüber hinaus erhielt sie den Nachweis der ordnungsgemäßen Beendigung des Lehrverhältnisses in einem Handelsgewerbe. Diese Ausbildung war ihr in ihrem späteren Arbeitsleben, sei es in Czernowitz, Bukarest oder New York von großen Nutzen. Wie damals üblich, lernte sie in der Handelsschule die Gabelsberger Stenografie, die sie ihr Leben lang verwendete.

Nach dem Ersten Weltkrieg wird die Monarchie Österreich-Ungarn zerstückelt. Die Bukowina wird in Folge dessen mit Billigung der Siegermächte und dem Vertrag von St. Germain Rumänien zugeschlagen. Dennoch entschied sich Sigmund Scherzer 1919 mit seiner Familie nach Czernowitz zurückzukehren, nachdem er drei Jahre lang vergeblich versucht hatte, sich in Wien eine Existenz aufzubauen. Diese frühen Erfahrungen von Krieg und Vertreibung (und später von Heimatlosigkeit) bestimmen nicht nur das Wesen und die Persönlichkeit Rose Ausländers, sondern auch einen großen Teil ihrer Lyrik. Das Schreiben begann sie während ihrer Fluchtzeit in Wien.

Rose Ausländer nimmt 1919 an der Universität Czernowitz ein Studium der Philosophie und Literaturwissenschaft auf und besuchte auch wöchentlich das Ethische Seminar des Mittelschullehrers Dr. Friedrich Kettner. Sie beschäftigte sich intensiv mit den Lehren Platons, Spinozas und des jüdischen Philosophen Constantin Brunner. Besonders die Lehre Brunners hinterlässt tiefe Eindrücke und prägte ihre Weltsicht. Unter den vielen Zuhörern, die sich an den Seminarabenden einfanden, befand sich auch ihr Studienfreund und späterer Ehemann, Ignaz Ausländer. 1921 verließen beide Czernowitz und emigrierten in die USA. Zunächst arbeitete Rose Ausländer in Minnesota für eine deutschsprachige Zeitung als Hilfsredakteurin. Später siedelte sie immer noch in Begleitung ihres Freundes Ignaz nach New York über, wo sie im darauffolgenden Jahr heirateten. Die Ehe hielt jedoch nicht ganz drei Jahre.

1927 kehrte sie für über ein Jahr nach Czernowitz zurück, da ihre Mutter an Herzasthma erkrankt war. Ende 1928 wandert sie wieder nach New York aus – gemeinsam mit ihrem Geliebten Helios Hecht. Nachdem sich der Gesundheitszustand der Mutter wiederum verschlechtert hatte, zog Rose Ausländer nach drei Jahren wieder nach Czernowitz, wo sie bis 1946 leben sollte. In dieser Zeit veröffentlichte sie viele ihrer Gedichte in Zeitungen und Zeitschriften. Ab Mitte der 1930 Jahre verschlechterte sich die politische Atmosphäre für die jüdische Bevölkerung im Rumänien. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs und der Kooperation zwischen Rumänien und Nazi-Deutschland war die Existenz der Juden in Czernowitz und der Region äußert bedroht. Seit 1940 lebte Rose Ausländer zusammen mit ihrer Mutter in der Dreifaltigkeitsgasse. Ihr Bruder Max und dessen Frau wohnte ebenfalls dort. Dieser Straßenabschnitt gehörte ab Oktober 1941 zu jedem Teil der Stadt, in dem über 50.000 Juden ghettoisiert wurden.

Seit Anfang 1942 hielt sie die Zustände im Ghetto, ihre Erlebnisse, ihre Gefühle in Gedichten fest. Durch wechselnde Verstecke entzog sich Rose Ausländer der Deportation nach Transnistrien und entging auch der Verschleppung durch sowjetische Truppen nach 1944.

Die Lyrik von Rose Ausländer schildert unter anderem das Schicksal der Heimatlosen. Auch ihr Schicksal wurde durch Flucht, Vertreibung und häufiger Ortswechsel zu dem einer Heimatlosen. Als ihr die Übersiedlung 1946 in die USA gelangt, arbeitete sie als Übersetzerin und Fremdsprachenkorrespondentin, zog von einer Wohnung zur anderen und lebte aus dem Koffer. Ihr dichterisches Schaffen wurde durch diesen Alltag jedoch nicht überschattet. In dieser Zeit veröffentlichte sie ausschließlich in englischer Sprache.

Auf einer Europareise begegnete sie dann Paul Celan, der ihr die neue deutsche Lyrik nahebrachte und sie mit der deutschen Moderne bekannt machte. Die Eindrücke, die sie dort gewann, waren für ihr weiteres lyrisches Schaffen prägend. Der Themenkreis ihrer Arbeit blieb der gleiche, jedoch änderte sie Form und Stil radikal und fand dadurch Anschluss an das moderne Gedicht. In ihrer letzten Schaffensperiode veröffentlichte sie mindestens ein Buch jährlich, gestaltete Lesungen und nahm an literarischen Veranstaltungen teil.

Ihr Gesundheitszustand zwang sie 1961 in den Ruhestand. Seit 1972 lebte sich im Nelly-Sachs-Haus in Düsseldorf, wo sie am 3. Januar 1988 starb.

Text: Patricia Rodriguez

Foto: http://www.kronenhaus.de/assets/images/rose_1914.jpg (Fotograph unbekannt, gemeinfrei)

Materialien:

  • Helmut Braun: Rose Ausländer: Materialien zu Leben und Werk. Frankfurt/M. 1992, S. 7-68.
  • Helmut Braun: „Ich bin fünftausend Jahre jung“: Rose Ausländer; zu ihrer Biographie. Stuttgart 1999, S. 7-44.
  • Raimund Lang: Czernowitzer Köpfe: Kurzbiographien bedeutender Bukowiner. Traditionsverband „Katholische Czernowitzer Pennäler“. Innsbruck, Wien 2006, S. 10f.
  • Orte

    Orte

    Geburtshaus von Rose (Scherzer) Ausländer

    Geburtshaus von Rose (Scherzer) Ausländer
    Sahaidachnoho St. 57 (ehemalige Morariugasse 5a). Foto: Patricia Rodriguez (2017)

    Kommunale Mädchen-Volksschule von Rose Ausländer (1908-14)

    Kommunale Mädchen-Volksschule von Rose Ausländer (1908-14)
    heute (rumänisches) Gymnasium Nr. 6 in der Andriya Sheptyts'koho St, 18-24 (ehemalige Landhausgasse). Foto: Markus Winkler (2016)