Vom Stiftungszwecks profitierte insbesondere das Jüdische Waisenhaus, denn durch den Ertrag des Hotels (bzw. den Pachtschilling), der in die 1904 gegründete Wagner’sche Stiftung einfloss, konnte binnen weniger Jahre das Jüdische Waisenhaus aufgebaut und anschließend über mehrere Jahre unterhalten werden. 700 Kronen erhielt das Waisenhaus jährlich pro Zögling.

Heinrich Goldmann veranschaulichte in einem journalistischen Beitrag aus dem Jahr 1934 die Atmosphäre des Hotels und die Zusammenkünfte namhafter Persönlichkeiten der Stadt und des Kronlandes: „Das gemächliche, geruhige Leben der Kleinstadtbürger plätschert eintönig die Rathausstraße hinauf, herunter, an der Mauer des ,Hotel Central‘ vorbei; hier aber, in diesen historischen Hallen des Hotels, ist der Brennpunkt des politischen und gesellschaftlichen Lebens; hier konzentriert sich alles, was Rang und Namen hat: Politiker, Offiziere der Kavallerie, deren Regiment in Sadagura stationiert ist, Landadel und Mitglieder der österreichischen Hocharistokratie, die ,Creme‘ der Gesellschaft, die vornehme Lebewelt. Hier wohnen die Abgeordneten, Mitglieder des Reichsrates, Grafen, Barone. Hier verkehrt Graf Wassilko, Landespräsident und nachmaliger Ministerpräsident Prinz Hohenlohe, später Bleyleben, Dr. Rott und viele andere, hier, im großen Saale des Restaurants, finden Bankette statt, werden bedeutende Reden gehalten, toastiert wohl auch noch der junge, temperamentvolle Straucher und holt sich seine ersten Lorbeeren …“ (Der Tag, Nr. 627, 29. April 1934, S. 2).

Nach dem Ersten Weltkrieg erlebte das Hotel, das bis Ende der1930-Jahre existierte, einen Niedergang. Die nachfolgenden Pächter beendeten 1930/31 die Zahlungen an die jüdische Kultusgemeinde, der das Waisenhaus unterstand. Es wurden keine Renovierungsarbeiten durchgeführt und die Einrichtung entwickelte sich zu einem Stundenhotel. Es folgten diverse Gerichtsprozesse, das Hotel wurde zu einem Spielball politischer Kampagnen und der Niedergang des Hotels schritt unaufhaltsam voran. Diese Prozesse fasste Heinrich Goldmann wiederum anschaulich zusammen: „Mit der neuen Zeit kamen neue Menschen, und auch die neuen Menschen blieben langsam, aber umso fühlbarer aus; das Hotel leerte sich, fragwürdige Gestalten zogen ein, zuerst nisteten sich Artistinnen und Artisten mittelrangiger Nachtlokale in den Zimmern des Hotels ein, das Niveau sank immer mehr, später kamen Prostituierte und dunkle Existenzen, es wurde ein regelrechtes Stundenhotel, Wanzen und Ungeziefer erkundigten sich schon in der Portierloge nach der Zimmertüre der Gäste. In den letzten Jahren wurde der Verfall um nichts aufgehalten; Menschen der früheren Generation erzählen, daß sie heute wenn sie den Hof des Hotels betreten, sich entsetzt an die Stirne greifen. Was für ein Leben brandete hier einst an diesen Mauern, und wie entwickeln sich jetzt üble Gerüche aus der Mitte des schlecht gepflasterten, holprigen, wie der Exerzierraum einer alten Kaserne aussehenden Hofes, aus dessen Kanal! Das Eisengitter auf den Gängen ist gebogen und verrostet, die Fensterkreuze verwittert und schäbig, die Holztreppen, einst mit kostbaren Teppichen belegt, die von breiten Messingstangen zusammengehalten wurden, knarren und ächzen, sind schmutzig und morsch, die Zimmer verwahrlost, die Beleuchtung mangelhaft […]“.

Text: Markus Winkler

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    Gebäude des ehemaligen Hotel Central

    Gebäude des ehemaligen Hotel Central
    Holovna St, 34 (ehem. Rathausstraße 6). Foto: Markus Winkler (2017)