Allerdings wurde das Gebäude für die Vielzahl der sich gründenden Vereine und die wachsende polnische Gemeinde in Czernowitz bald zu klein, sodass die Gesellschaft nach dem Erhalt einer testamentarischen Schenkung im Jahr 1904 ein Grundstück in der Herrenstraße 40 erwarb (Hausleitner, S. 101). Innerhalb eines Jahres wurde ein repräsentatives Hauptgebäude an der Straße „im Zakopaner Stil“ (Czernowitzer Allgemeine Zeitung, Nr. 573, 05.12.1905, S. 3) sowie ein Nebengebäude im Hinterhof errichtet (Feleszko, S. 134). 1905 wurde das neue Vereinshaus feierlich unter der Anwesenheit von mehr als tausend Gästen eröffnet (Hausleitner, S. 101, sowie Czernowitzer Allgemeine Zeitung, Nr. 573, 05.12.1905, S. 3).

Das Hauptgebäude beherbergte eine Bücherei mit mehr als 8.000 Bänden und den Ausgaben von zehn polnischen Zeitschriften sowie verschiedene kleine und große Räumlichkeiten. Das Hinterhaus verfügte über zwei Säle für Veranstaltungen und kleinere Klubräume (Feleszko, S. 134). Das neue Dom Polski gab fortan allen polnischen Vereinen genügend Raum für Versammlungen und verschiedene Aktivitäten. Regelmäßig fanden Treffen und Kurse zur polnischen Literatur und Sprache sowie Theater und Kunsthandwerk statt. Auch wurden Bälle, Theatervorführungen und Feierlichkeiten anlässlich der Nationalfeiertage und zu den Jubiläen polnischer Persönlichkeiten, wie die Adam-Mickiewicz-Feiern, organisiert (Bukowinaer Post, Nr. 2001, 29.11.1906, S. 4).

Im Dom Polski verkehrten nicht nur Angehörige der polnischen Minderheit. In der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung veröffentlichte Veranstaltungshinweise und Berichte zeugen davon, dass das Nationalhaus auch häufig von nicht-polnischen Vereinen und Veranstaltern genutzt wurde. So organisierten unter anderem der rumänische akademische Verein Junimea sowie der rumänische Gesangsverein Armonia dort „lustige Abende“ und der jüdische Tanzverein Emunah lud im Dom Polski zu „Tanzkränzchen“ ein (Czernowitzer Allgemeine Zeitung, Nr. 868, 30.11.1906 S. 5, sowie: Czernowitzer Allgemeine Zeitung, Nr. 2368, 14.12.1911, S. 4, und Czernowitzer Allgemeine Zeitung, Nr. 1230, 15.02.1908, S. 4). Seit Beginn des Jahres 1912 war auch ein Kino-Volks-Theater, ab Dezember 1912 Kino „Modern“ genannt, in einem Saal des polnischen Vereinshauses eingerichtet (Czernowitzer Allgemeine Zeitung, Nr. 2421, 17.02.1912, S. 4, sowie: Czernowitzer Allgemeine Zeitung, Nr. 2734, 07.12.1912, S. 4).

Trotz der großen Auswanderungswelle der Bukowinaer Polen in ihr 1919 neu gegründetes Heimatland bestand das Dom Polski auch nach dem Ersten Weltkrieg fort. Czernowitz war nach wie vor das Zentrum des polnischen Lebens in Rumänien und auch Sitz des 1932 gebildeten Verbandes der Polnischen Vereine in Rumänien. Das Dom Polski blieb somit weiterhin Gründungsort, Veranstaltungsort und Treffpunkt vieler Organisationen und Vereine (Feleszko, S. 140).

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ein Großteil der in der Bukowina verbliebenen Polen zwangsausgesiedelt oder sie wanderten aus, sodass es 1959 nur noch 1.280 Polen in Czernowitz gab, was 0,8 Prozent der Stadtbevölkerung entsprach. Das Gebäude des Polnischen Hauses sowie die polnische Bibliothek darin wurden in der sowjetischen Zeit durch den Staat beschlagnahmt, alle polnischen Vereine aufgelöst und der Polnischunterricht im Dom Polski eingestellt (ebd., S. 143).

Im Jahr der Ausrufung der unabhängigen Ukraine 1991 zog mit der im Dezember 1989 gegründeten Adam-Mickiewicz-Gesellschaft der Polnischen Kultur (Towarzystwo Kultury Polskiej im. Adama Mickiewicza) wieder ein polnischer Verein sowie eine polnische Bibliothek in die Räume des Vorderhauses in der Olga-Kobyljanska-Straße 40 ein (ebd., S. 144). Czernowitz ist eine von sechs Städten in der Ukraine, in denen die Adam-Mickiewicz-Gesellschaft, die heute etwa 500 ukrainische Vereinsmitglieder zählt, einen festen Sitz hat (Interview mit Władysław Strutyński am 11.05.2017 im Dom Polski).

Leiter des Dom Polski und zugleich Vorsitzender der Adam-Mickiewicz-Gesellschaft ist der Historiker und Ostmitteleuropaexperte Władysław Strutyński. Die Aufgabe des Dom Polski besteht nach wie vor darin, der polnischen Kultur und Sprache in der Stadt einen Raum zu geben. Allerdings hat sich das Publikum in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt: Derzeit wird das Dom Polski wegen eines breiten Polnischkursangebotes vorwiegend von jungen Ukrainerinnen und Ukrainern frequentiert, die sich damit auf längere Studien- und Arbeitsaufenthalte im Nachbarland vorbereiten. Nach wie vor werden auch Kulturveranstaltungen, Treffen der polnischen Vereine sowie Empfänge für Gäste aus Polen im Dom Polski organisiert (Interview mit Władysław Strutyński).

Text: Tabea Schleinitz

Quellen:

  • Kazimierz Feleszko: Die Polen in Czernowitz. In: Harald Heppner (Hrsg.): Czernowitz. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Stadt. Köln 2000, S. 129-144
  • Mariana Hausleitner: Fünf verschiedene Vereinshäuser in Czernowitz und ihre Entwicklung bis 1914. In: Peter Haslinger, Heidi Hein-Kirchner, Rudolf Jaworski (Hrsg.): Heimstätten der Nation. Ostmitteleuropäische Vereins- und Gesellschaftshäuser im transnationalen Vergleich. Marburg 2013, S. 89-111

Zeitungsquellen und Interview:

  • Bukowinaer Post, Nr. 2001, 29.11.1906, S. 4
  • Czernowitzer Allgemeine Zeitung, Nr. 573, 05.12.1905, S. 3
  • Czernowitzer Allgemeine Zeitung, Nr. 868, 30.11.1906 S. 5
  • Czernowitzer Allgemeine Zeitung, Nr. 1230, 15.02.1908, S. 4
  • Czernowitzer Allgemeine Zeitung, Nr. 2368, 14.12.1911, S. 4
  • Czernowitzer Allgemeine Zeitung, Nr. 2421, 17.02.1912, S. 4
  • Czernowitzer Allgemeine Zeitung, Nr. 2734, 07.12.1912, S. 4
  • Prager Tagblatt, Nr. 263, 22.09.1886, S. 6
  • Interview mit Władysław Strutyński am 11.05.2017 im Dom Polski
  • Orte

    Orte

    Dom Polski

    Dom Polski
    Foto: Markus Winkler (2017)